Zu keinem anderen Thema hat es 2021 so viel Desinformation gegeben wie zu den Impfstoffen gegen Covid-19. Im Laufe des Jahres veränderten sich die irreführenden Behauptungen allerdings. Von Patrick Gensing, Redaktion ARD-faktenfinder
Es ist Ende 2020, als in Europa die ersten Impfstoffe gegen Covid-19 zugelassen werden; zuerst werden die Ältesten und andere Risikogruppen geimpft. Auch Ärztinnen und Mediziner werden früh geschützt, da sie bei ihren Berufen einem besonders hohen Risiko ausgesetzt sind.
So schreibt beispielsweise Anfang 2020 eine Frau in einer Corona-Leugner-Gruppe im Kontext der Impfungen von einem „satanischen Weltkomplott“. Eine andere versichert, sie leugne das Virus nicht, vermute aber, dass „dieser ganze Zirkus nur zum Vorwand benutzt wird, um die NWO einzuläuten“. NWO ist die Abkürzung von New World Order – also Neue Weltordnung. Dahinter verbirgt sich eine Verschwörungslegende, wonach eine geheime Weltregierung im Verborgenen eine neue Herrschaft etabliere.
Die Grenzen zwischen verunsicherten Menschen und fanatischen Verschwörungsanhängern sind in vielen Facebook- und Telegram-Gruppen nicht zu erkennen – und Aktivisten feuern die Ängste an, mit immer neuen Videos und Blog-Beiträgen, sie sammeln Spenden ein, verkaufen Bücher und generieren Aufmerksamkeit für sich.
Unter dem Schlagwort #IchLassemichnichtimpfen erklären im Januar 2021 Hunderte Menschen auf Facebook, warum sie eine Impfung ablehnen. Manche aus Sorge vor befürchteten Langzeitfolgen; andere, weil sie meinen, allein gesunde Ernährung und Sport reiche als Schutz vor einer Covid-19-Erkrankung. Wieder andere wollen nicht glauben, dass es in kurzer Zeit überhaupt möglich sei, einen Impfstoff zu entwickeln.
Besonders groß ist die Angst, der Impfstoff könnte das Erbgut verändern. Dies ist allerdings ein weiteres Missverständnis: Die sogenannte mRNA gelangt in die Zelle und wird dort „abgelesen“. Danach wird sie abgebaut.
Dennoch wird immer wieder Stimmung gemacht gegen diese Impfstoffe, da sie angeblich die Gene veränderten, unfruchtbar machten oder eine Gefahr für Schwangere seien. Solche Behauptungen sind nicht nur falsch, sondern gefährlich, denn insbesondere Schwanger sein an sich wird als ein relevanter Risikofaktor für schwere COVID-19-Verläufe eingestuft.
Quasi täglich tauchen im Jahr 2021 neue falsche oder unbelegte Behauptungen über angebliche Risiken und Nebenwirkungen auf. Seien es durch Corona-Impfstoffe produzierte Spike-Proteine, die angeblich Krebs oder auch Herzinfarkte auslösen sollen, oder irreführende Statistiken, die angeblich beweisen, dass die Sterberaten von Geimpften über denen der Ungeimpften liegen.
Die Geschichten von Mikrochips, die per Spritze implantiert würden, oder einem geplanten Genozid durch die Impfungen sind wohl für die allermeisten Menschen leicht als abstruse Legenden zu erkennen. Als weit wirkungsmächtiger erwiesen sich irreführende oder verzerrte Berichte, die diffuse Ängste schüren sollten.
Neben der Sorge vor angeblichen Langzeitfolgen waren es einmal mehr alarmistische Berichte über Risiken für Kinder, die viele Menschen offenkundig verunsicherten. Dies war im Vorjahr bereits im Kontext mit den Masken zu beobachten gewesen, als Corona-Leugner Geschichten erfanden, wonach Kinder unter Alltagsmasken erstickt seien.
Standen Anfang des Jahres noch angebliche Todesfälle und Nebenwirkungen der Impfungen im Fokus der Desinformation, verlagert sich der inhaltliche Schwerpunkt, neue Narrative werden gesponnen. Milliarden Impfungen weltweit haben nämlich gezeigt, dass die Impfstoffe sicher sind. Daher stellen Impfgegner im Laufe des Jahres zunehmend die Wirksamkeit der Stoffe infrage.
Insbesondere die Verbreitung der neuen Varianten und die zunächst verschlafene Booster-Kampagne spielte ihnen dabei in die Hände, da Impfdurchbrüche und ein reduzierter Schutz vor Infektionen viele Menschen zusätzlich verunsicherten.
Das Jahr 2021 hat einmal mehr gezeigt: Desinformation kann tödlich sein – und insbesondere in Krisenzeiten eine demokratische Gesellschaft teilweise zersetzen. Den Urhebern der Desinformation gefällt das.