Ein 44-Jähriger Landwirt aus der Nähe von Ansbach ließ seine Rinder sterben – aus Überforderung. Im Wochenblatt-Interview erklärt die bayerische Fachärztin und Bäuerin Karen Hendrix, wie es überhaupt zu so einem Drama kommen kann. Sie sagt: „Die Generation zwischen 45 und 60 hat anerzogen bekommen, zu arbeiten. Immer. Ihr Verantwortungsbewusstsein reicht bis zum gesundheitlichen Ruin.“
So ein Hof ist ein eigener Kosmos mit eigenen Gesetzen. Und das ganz besonders in der Sandwich- Generation der heute 45- bis 65-Jährigen. Sie haben von ihren Eltern absoluten Gehorsam und Arbeiten bis zum Zusammenbruch gelernt. Ihre Kinder sind frei und nehmen den Hof vielleicht gar nicht. Es ist kompliziert. Menschen, die nichts mit der Landwirtschaft zu tun haben, können sich das gar nicht vorstellen. Es ist immer noch eine ganz andere Welt.
Es gibt keinen anderen Beruf, in dem mehrere Generationen zusammenleben und arbeiten, und das jeden Tag, das ganze Jahr. Wer allein ist, hat es sehr schwer, denn die Menge der Arbeit ist alleine nicht zu bewältigen. Der Tag ist von früh bis in die Nacht von Arbeit geprägt. Egal ob Wochenende oder Feiertag. Man arbeitet rund um Uhr. Und der Papierkram, den ein landwirtschaftlicher Betrieb mittlerweile bewältigen muss, ist absolut abartig. Immer noch wohnen mehrere Generationen zum Teil im gleichen Haus zusammen, arbeiten zusammen und haben wenig Möglichkeit, sich aus dem Weg zu gehen. Bauern bekommen nur eine Anerkennungsrente, die für ein Leben voller Arbeit um die 500 Euro ausmacht. Sie sind auf die Versorgung durch den Nachwuchsbauern angewiesen. Und der hat oft andere Ideen, was zu Auseinandersetzungen führt. Konflikte sind vorprogrammiert.
Die Generation zwischen 45 und 65 hat anerzogen bekommen, zu arbeiten. Immer. Pausen oder Nichtstun waren schon Gotteslästerung. Sie beuten sich auch heute noch hemmungslos aus. Ihr Verantwortungsbewusstsein reicht bis zum gesundheitlichen Ruin. Wichtig ist ihnen auch die Frage: Was sagen die Nachbarn? Gerade in Gegenden, in denen die Beobachtung durch die Dorfgemeinschaft sehr intensiv ist, wird noch mehr dichtgemacht.
Viele Landwirte sind auch enttäuscht, dass die gesellschaftliche Anerkennung fehlt.
Bauern müssen sich mittlerweile jedem Balkonbiologen gegenüber rechtfertigen und von allen kontrollieren lassen.
Sie sind selbst Bäuerin. Würden Sie einem jungen Menschen noch empfehlen, diesen Beruf zu wählen?
Was ich gesagt habe, klingt in der Summe sehr negativ. Aber trotzdem finde ich Landwirtschaft toll – wenn es denn gelingt, sich, wie die jüngere Generation, persönliche Interessen und ein gewisses Maß an Freiheit zu erhalten.
Psychiaterin und Bäuerin Karen Hendrix- von Claudia Bockholt Chefredakteurin BLW