Mutmaßliche systematische Gesetzesverstöße im Imperium des Fleischbarons Tönnies: ZDFzoom hat dazu Hinweise hochrangiger Konzern-Insider. Vorwürfe reichen bis in die Konzernspitze.
Clemens Tönnies ist Deutschlands größter Schlachtunternehmer. In seinem Heimatort Rheda-Wiedenbrück sind der Millionär und sein Konzern allgegenwärtig. Wenn Clemens Tönnies hier durch die Fußgängerzone läuft, dann grüßen ihn die Leute freudig und sagen Sätze wie: „Was er macht, finde ich auch gut. Er macht alles richtig.“ Jedenfalls, wenn man der WDR-Doku „Die Schlachtfabrik“ glauben mag, für die sich Clemens Tönnies im vergangenen Jahr wochenlang von Reportern begleiten ließ.
Die breite Öffentlichkeit jenseits von Rheda-Wiedenbrück hat spätestens seit dem Corona-Sommer 2020 ein anderes Bild von Tönnies und den Zuständen in seinem Unternehmen. Da infizierten sich mehr als 1.000 Arbeiter und Arbeiterinnen im Tönnies-Werk mit dem Coronavirus und der gesamte Landkreis Gütersloh musste in den Lockdown. Auch vorher schon stand der Tönnies-Konzern in der Kritik, wegen der oft miesen Bezahlung und Behandlung der Menschen, die über Subunternehmer in seinen Werken arbeiteten. Und wegen der Gammel-Unterkünfte, in denen sie lebten.
Die neue ZDFzoom-Doku „Die Spur – Das System Tönnies“ liefert nun noch verstörendere Einblicke in das Innenleben und Umfeld des größten deutschen Fleischproduzenten: Demnach soll der Tönnies-Konzern nicht nur ein auf Effizienz getrimmtes Schlachthaus gewesen sein, das aus Schweinen und Menschen gleichermaßen das Maximum herausholt. Sondern ein Saustall, in dem Manager womöglich von systematischen Gesetzesverstößen wussten oder sogar daran beteiligt gewesen sein könnten.
Das ergibt sich aus exklusiven Dokumenten und Aussagen hochrangiger Insider aus dem System Tönnies. Um sie zu treffen, sind die ZDF-Reporter nach Bulgarien, ins Geldwäscheparadies Zypern und an die holländische Grenze gereist. Und fanden dabei erstmals schriftliche Belege, dass bei Tönnies in den Jahren 2000 bis 2005 illegale Arbeitnehmerüberlassung stattgefunden und der Konzern dafür einen Millionenbetrag an die Sozialkassen nachzahlen musste.
Doch der Konzern verstrickt sich auch in massive Widersprüche: Tönnies behauptet, eine kleine Firma an der niederländischen Grenze habe dem Konzern jahrelang Hähnchenfleisch für Millionen Euro geliefert. Der Lieferant selbst bestreitet das aber. Ein Konzern-Insider liefert dafür eine mögliche Erklärung: Es soll sich um Scheinrechnungen gehandelt haben, über die in Wahrheit Schwarzarbeiter bezahlt worden seien.
Gesteuert worden sein soll die mutmaßliche Masche illegaler Beschäftigung laut dem Insider von Margit Tönnies selbst, der Ehefrau von Konzernchef Clemens Tönnies, die „die Angelegenheiten“ bezüglich der Firma „persönlich betreut“ haben soll. Auf Anfrage bestätigt Tönnies aber allein, dass Margit Tönnies eine Leitungsfunktion im Konzern innehabe. Und dass sie im Rahmen eines Audits bei dem betroffenen Lieferanten „involviert“ gewesen sei.
von Hannes Vogel