Weil durch die Kriegswirren in der Ukraine die Futter- und Energiekosten um bis zu 100 Prozent gestiegen sind, bräuchten die Schweinebauern einen Notierungspreis von 2,25 Euro, momentan liegt dieser 40 Cent darunter.
„Wenn wir in den nächsten Wochen die Vollkostendeckung nicht erreichen, befürchte ich den größten Aderlass in der Geschichte der heimischen Schweinehaltung. Neben der wirtschaftlichen Misere, die sich abzeichnet, sind es die politischen Rahmenbedingungen, die zu umfangreicher Stilllegung der Produktion führen werden“, erklärt Johann Schlederer, Geschäftsführer des Verbandes landwirtschaftlicher Veredelungsproduzenten OÖ, VLV.
Neben den hohen Futterkosten und den niedrigen Preisen, sind vor allem das immer wieder von NGO’s und Tierrechtsaktivisten geforderte Vollspalten-Verbot und Ringelschwanz-Gebot, Reizwörter in der Branche. „Internationale Mitbewerber am Binnenmarkt reiben sich schon die Hände, wenn bei uns Schweinebauern das Handtuch werfen“, meint Schlederer.
Daher fordert der VLV als größte Schweineerzeugergemeinschaft Österreichs die Herkunftskennzeichnung, und zwar für alle Sektoren und Sortimente inklusive Gastronomie. Die Schweinehaltung macht in Oberösterreich ein Viertel der agrarischen Wertschöpfung aus. Oberösterreich ist damit Schweineland Nummer eins mit einem Marktanteil von knapp 40 Prozent in Österreich. Das heißt, die volkswirtschaftliche Bedeutung der Schweinebranche geht weit über den agrarischen Bereich hinaus.
„Die kritische öffentliche Diskussion belastet die Stimmung unserer Schweinebauern, weil sie sich 365 Tage im Jahr um ihre Tiere kümmern und nicht als Tierquäler gesehen werden wollen“, sagt Franz Waldenberger, Präsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Viele Landwirte seien auch durchaus bereit, Umstellungen in Richtung von Haltungssystemen mit Stroh-Einstreu, mehr Platzangebot und teils mit Auslauf ins Freie vorzunehmen, aber diese Umstellung brauche Zeit und ist mit beträchtlichen Kosten verbunden.
Im laufenden Betrieb entstünden höhere Kosten für die Strohbergung vom Feld, die Einlagerung oder die Mistausbringung. „Das bedeutet mehr Arbeitsaufwand für die Betreuung der Tiere. Daher kann es Schweinefleisch aus Tierwohlställen nicht zum gleichen Preis geben wie aus konventionellen Ställen“, sagt Waldenberger.
Ein wichtiger Part fällt in diesem Zusammenhang dem Handel zu. Die Handelsketten sind in der Vermarktung das Bindeglied zum Konsumenten. Es braucht daher die Bereitschaft des Handels, Schweinefleisch aus besonders tierfreundlicher Haltung entsprechend zu bewerben und dem Konsumenten in allen Filialen anzubieten. Denn in dem Ausmaß, wie der Absatz gegeben ist, können Betriebe auf Tierwohl-Ställe umstellen.
Das von manchen Tierschutz-NGOs geforderte Verbot bisheriger Haltungssysteme wird von der Landwirtschaftskammer strikt abgelehnt. Österreich ist in einem gemeinsamen Markt mit 26 anderen EU-Staaten, in denen ein gesetzlicher Zwang zu Strohhaltungssystemen absolut kein Thema ist.
„Käme ein solcher Zwang ausschließlich in Österreich, würden wir mit billigerem, importiertem Fleisch aus konventionellen Haltungsformen überflutet, insbesondere im Bereich der Fleischwarenindustrie. Das wäre der Todesstoß für die österreichische Schweinehaltung, und das kann nicht im Interesse der Konsumenten sein. Ein Verbot der Vollspaltenböden im Stall kann nur mit einem Verbot von Fleisch aus dieser Haltungsform im Regal Hand in Hand gehen. Letztendlich entscheiden die Markt- und Absatzmöglichkeiten über den weiteren Ausbau von Tierwohlprogrammen“, ist Waldenberger überzeugt.
Der Verband Österreichischer Schweinebauern hat gemeinsam mit der AMA einen Masterplan Schweinehaltung entwickelt. Damit wird eine Kategorisierung der verschiedenen Haltungsformen vorgenommen. Es gibt also nun beim AMA Gütesiegel drei Ebenen: AMA Gütesiegel-Basis und die beiden Tierwohlmodule Tierwohl 60 (60% mehr Platz) und Tierwohl 100 (100% mehr Platz). Diese Dreiteilung ist genau definiert und transparent unterscheidbar. Darüber gibt es noch Bio-Haltung, darunter konventionelle Schweinehaltung auf gesetzlichem Niveau.
„Für mich ist dieses Konzept der Einstieg in die Haltungskennzeichnung in Österreich. Man beachte den Unterschied zwischen Herkunftskennzeichnung und Haltungskennzeichnung. Es ist der ernsthafte Plan des Verbandes der Österreichischen Schweinebauern, dass in zehn Jahren ein Viertel der heimischen Schweine aus TW 60-, TW 100- und BIO- Programmen kommt. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen glaube ich an diesen Fahrplan. Die demnächst startende Info-Kampagne der AMA-Marketing soll Klarheit in der Bevölkerung schaffen, und speziell den kritischen Verbrauchern einen sicheren Wegweiser zum gezielten Tierwohl-Einkauf schaffen“, sagt Schlederer.