Null Ahnung

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere
(Tierschutzgesetz-TSchG) BGBl. I Nr. 118/2004, zuletzt geändert durch das
Bundesgesetz BGBl. I Nr. 86/2018, geändert wird

Die Bundesarbeitskammer (BAK) bedankt sich für die Übermittlung des Entwurfs und nimmt
dazu wie folgt Stellung:

Ziel des Tierschutzgesetzes (TSchG) nach § 1 ist der Schutz des Lebens und des
Wohlbefindens der Tiere aus der besonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als
Mitgeschöpf. Für immer mehr Menschen sind gesetzliche Regelungen, die das Wohlbefinden
von Tieren garantieren, von großer Wichtigkeit. Das zeigen alle Umfragen der letzten Jahre.
Der Gesetzgeber hat daher aus mehreren Gründen eine besonders große Verantwortung.
Dieser Verantwortung und dem in § 1 selbst gesteckten Ziel wird der Entwurf leider
keineswegs gerecht.
Zeitgleich mit der Begutachtung zu dieser Novelle wurde der Entwurf zur verpflichtenden
Herkunftskennzeichnung von tierischen Lebensmitteln veröffentlicht. Viele Konsument:innen
nehmen an, dass tierische Produkte mit der Herkunftskennzeichnung „Österreich“ strengeren
Bestimmungen unterliegen würden. Im vorliegenden Entwurf und in der damit in Verbindung
stehenden Tierhaltungsverordnung (THVO), siehe hierzu ebenso die BAK Stellungnahme
vom 30.05.2022, fehlen jedoch Regelungen, die besonders problematische Haltungsformen
und Praktiken verbieten.
In manchen Punkten – wie beim Schwanzkupieren und bei der betäubungslosen Kastration –
bleiben die gesetzlichen Bestimmungen in der THVO unter dem Niveau anderer
Mitgliedstaaten. Auch wenn es im Tierschutzgesetz in erster Linie um das Wohlbefinden der
Tiere geht, so muss doch betont werden, dass eine gesetzliche Festlegung der
Mindeststandards für die Tierhaltung von Nutztieren in Österreich eine weitreichende
wirtschaftliche Bedeutung hat. Relevante Handelsketten in Deutschland haben bereits
klargestellt, dass sie Fleisch aus jenen Haltungsformen, wie sie auch durch den vorliegenden
Entwurf noch immer erlaubt sein werden, nicht mehr abnehmen. Das könnte dazu führen,
dass Fleisch und Milch von Tieren aus besseren Haltungsformen von Österreich nach
Deutschland exportiert werden und jene Produkte, für die lediglich der Mindeststandard erfüllt
ist, mit der Herkunft „Österreich“ für die heimischen Konsument:innen übrigbleiben.
Für den vorliegenden Entwurf des TSchG sowie für den zeitgleich versendeten Entwurf zur
THVO sieht die BAK daher einen deutlichen Nachbesserungsbedarf.
Zusammenfassend darf festgehalten werden, dass die Mindeststandards für die Haltung von
Schweinen und Rindern im TSchG und in der THVO nicht geeignet sind, um den Tieren
ausreichend Schutz zu bieten, wie dies in § 1 vorgesehen ist. Haltungsformen wie die
Anbindehaltung und die Haltung auf Vollspaltenböden für Schweine und Mastrinder sowie die
nicht vorgeschriebene Weidehaltung für Rinder sind ethisch nicht mehr zu rechtfertigen und
entsprechen auch nicht den Wünschen der Mehrheit der Konsument:innen. Es ist weiters mit
einem wirtschaftlichen Schaden zu rechnen, falls derartige Haltungsformen nicht verboten
werden, da in absehbarer Zeit Produkte aus diesen Haltungsformen keine Abnehmer:innen
mehr finden werden.
Explizit zu begrüßen sind alle Verbesserungen, die mehr Tierschutz ermöglichen, was
mehrheitlich den Bereich der Heimtiere betrifft, auf die jedoch in der Stellungnahme nur
teilweise eingegangen wird. Positiv zu sehen ist die Tatsache, dass in einigen Bereichen
Beschlüsse des Tierschutzrates aufgegriffen und umgesetzt werden.
Zu den wesentlichen Bestimmungen des geplanten Entwurfs:
Der Entwurf sieht im Wesentlichen vor:
• Kein Ende der Vollspaltenböden für Schweine und Rinder
• Kein Ende der Anbindehaltung für Rinder
• Verbesserungen bei den Themen Qualzucht und Kükenschreddern
Zu § 6 Abs 2a und 2c:
Das geplante Verbot des Schredderns von lebendigen Küken stellt eine wichtige
Verbesserung im Tierschutz dar. Das Töten lebensfähiger Küken zur Futtergewinnung und
der diesbezüglich zuführende Nachweis der Brüterei gegenüber der
Bezirksverwaltungsbehörde sollte klarer definiert werden. Auch das Verbot des Schlachtens
von Säugetieren, die sich „offensichtlich“ im letzten Drittel der Trächtigkeit befinden, ist zu
begrüßen, wobei allerdings das Wort „offensichtlich“ gestrichen werden sollte.
Zu § 16 Abs 4:
Die Anbindehaltung von Rindern war bereits vor dem Zustandekommen des
Bundestierschutzgesetzes im Jahr 2005 äußerst umstritten. Anbindehaltung bei Rindern
bedeutet, dass die Rinder im Stall mit einer kurzen Kette fixiert sind, die lediglich das
Aufstehen, Fressen und Hinlegen ermöglicht.

Bei der dauernden Anbindehaltung handelt es sich um eine Haltungsform, die den Rindern
ganzjährig und meist lebenslang keinerlei Bewegungsmöglichkeit, mit Ausnahme des Stehens
und Liegens, erlaubt. Die Anbindehaltung widerspricht eindeutig den allgemeinen
Haltungsbestimmungen nach dem TSchG in § 16 Abs 1: Die Bewegungsfreiheit eines Tieres
darf nicht so eingeschränkt sein, dass dem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt
werden oder es in schwere Angst versetzt wird und Abs 2: Das Tier muss über einen Platz
verfügen, der seinen physiologischen und ethologischen Bedürfnissen angemessen ist.
Eigentlich besteht bereits seit 2005 ein gesetzliches Verbot der ständigen Anbindehaltung,
das jedoch bisher durch eine großzügige Ausnahmeregelung für die betroffenen Rinder
praktisch 365 Tage und Nächte im Jahr keinerlei Bewegungsmöglichkeit und Sozialverhalten
bedeutete.
In der vorliegenden Novelle werden nunmehr diese Ausnahmeregelungen für die ganzjährige
Anbindehaltung, jedoch erst – wie in Ziffer 32 festgehalten – ab dem Jahr 2030, gestrichen
und für mindestens 90 Tage geeignete Bewegungsmöglichkeiten, geeigneter Auslauf oder
Weidegang vorgeschrieben. Das bedeutet, dass Rinder in dauernder also ganzjähriger
Anbindehaltung noch weitere sieben Jahre lang keinerlei Bewegungsmöglichkeiten haben
werden. Danach sind sie weiterhin 275 Tage pro Jahr im Stall angebunden und auch an den
90 Tagen, an denen sie nicht durchgehend angebunden sein dürfen, müssen sie nicht
zwingend ins Freie gelassen werden.
Zudem ist unklar, wie diese Bewegungsmöglichkeit tatsächlich kontrolliert werden kann. Auch
wenn die Streichung der Ausnahmen für die dauernde, also ganzjährige Anbindehaltung, eine
überaus notwendige Verbesserung darstellt, so ist diese Anbindehaltung doch noch immer
eine Haltungsform, die weder dem Bewegungsbedarf oder dem Sozialverhalten der Rinder
entspricht, noch die Erwartungen der Konsument:innen erfüllt.
Milch und Fleischwerbung wird oftmals mit schönen Bildern auf der Wiese beworben. Auf den
Milchpackungen selbst ist niemals die Anbindehaltung abgebildet, sondern meist die Kuh auf
der grünen Weise. Wenn Produkte von Rindern stammen, die jedoch niemals auf Weiden
grasen, sollten diese Aufmachungen auch verboten werden, da sie sonst zur Irreführung
geeignet wären. Eine eindeutige und verständliche Kennzeichnung der Haltungsformen wäre
dringend notwendig, um den Konsument:innen tatsächlich die Wahlmöglichkeit zu geben.
Darüber hinaus sollte die dauerhafte Anbindehaltung unverzüglich und nicht erst ab dem Jahr
2030 abgeschafft werden, wie dies eigentlich seit 2005 im Gesetz vorgesehen war. Ziel muss
allerdings auch sein, die Anbindehaltung generell abzuschaffen, ein sofortiges Verbot des
Neubaus von Anbindstallungen festzuschreiben und zwingend vorzuschreiben, dass
insbesondere Kühe einen Zugang zur Weide haben müssen.
Zudem ist zu erwähnen, dass Milch- und Fleischprodukte aus Österreich von Rindern, deren
Haltungsbedingungen lediglich den Mindeststandards des TSchG entsprechen, ab dem Jahr
2030 Absatzschwierigkeiten in Deutschland zu erwarten haben, da sie nicht den
Anforderungen großer Handelsketten entsprechen. Es sollte nicht sein, dass Produkte mit

höheren Standards exportiert werden und jene mit den Mindeststandards nach dem TSchG
den österreichischen Konsument:innen mit der Herkunftskennzeichnung „Österreich“ verkauft
werden, ohne dass die Haltungsform in leicht verständlicher Form erkennbar ist. Es ist
anzunehmen, dass viele Konsument:innen Milch von Kühen in Anbindehaltung bzw ohne
Weidehaltung nicht kaufen würden, sofern sie transparent darüber informiert wären. Eine klare
Verbraucher:inneninformation ist dringend geboten.
Zu § 44 Abs 29:
Die Haltung von Schweinen und Rindern in Österreich auf Beton-Vollspaltenböden wird mit
dem vorliegenden Entwurf nicht verboten, sondern weiterhin auf unbestimmte Zeit legalisiert
und dies obwohl in Österreich seit Jahren alle Umfragen ergeben, dass diese Haltungsformen
abgelehnt werden. Laut einer neuen Umfrage von Vier Pfoten sind 91 % der österreichischen
Bevölkerung für ein Verbot der berüchtigten Vollspaltenböden, auf dem ein großer Teil der
Schweine und der Mastrinder stehen. Zudem widerspricht diese Haltungsform auch den
Grundsätzen des TSchG nach § 1 und § 16 Abs 1 und 2.
Das in § 44 Abs 29 angeführte Gemeinschaftsprojekt des Gesundheits- und
Landwirtschaftsministeriums zur Evaluierung der Haltungssysteme im Bereich der Buchten
und Bodengestaltung bei der Haltung von Schweinen stellt eine unbefriedigende
Verschiebung einer von der Mehrheit der Konsument:innen gewünschten Abschaffung von
unstrukturierten Beton-Vollspaltenböden dar. Erfahrungen über bessere Haltungssysteme
sollten bereits reichlich, sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis, im In- und im
Ausland vorhanden sein.
Zudem fehlt hier vor allem ein überschaubarer Zeitrahmen für das Verbot der
Vollspaltenhaltung, die Beiziehung von Tierschutzorganisationen und eine klare
Kennzeichnung von Produkten. Für Fleisch sollte zur besseren Transparenz für
Konsument:innen im Zuge der Umsetzung der ebenfalls in Begutachtung befindlichen
Verordnung zur österreichischen Herkunftskennzeichnung von Fleisch, Milch und Eiern in
verarbeiteten Produkten und in der Gemeinschaftsverpflegung nicht nur die Herkunft, sondern
jedenfalls auch die Haltungsform gekennzeichnet werden. Produkte von Tieren, die auf
Vollspaltenböden gehalten wurden, sollten auch eindeutig und klar verständlich als solche
gekennzeichnet werden.
Wie bereits zur Problematik der Anbindehaltung in § 16 Abs 4 angeführten höheren
Anforderungen an die Tierhaltung bestimmter Handelsunternehmen in Deutschland besteht
auch hier das Problem, dass diese Fleischprodukte aus Österreich, deren
Haltungsbedingungen lediglich den Mindeststandards nach dem TSchG bzw der THVO
entsprechen, ab dem Jahr 2030 Absatzschwierigkeiten in Deutschland haben werden. Es
sollte nicht sein, dass Produkte mit höheren Standards exportiert werden und jene mit den
Mindeststandards nach dem TSchG den österreichischen Konsument:innen mit der
Herkunftskennzeichnung „Österreich“ verkauft werden, ohne dass die Haltungsform in leicht
verständlicher Form erkennbar ist. Es ist anzunehmen, dass viele Konsument:innen Fleisch
von Tieren auf Vollspaltenböden nicht kaufen würden, sofern sie transparent darüber
informiert wären. Eine klare Verbraucher:inneninformation ist dringend geboten.

Die BAK ersucht um Berücksichtigung ihrer Anliegen und Anregungen.