Die Tierhalter würden gerne auf mehr Tierwohl umstellen, doch niemand will das bezahlen. Stattdessen geben Betriebe auf, die schon weiter sind und den Wunsch der Gesellschaft erfüllen.
Es kommt in den Medien selten vor, dass Klartext über die Diskrepanz zwischen gesellschaftlichen und politischen Wünschen und der Realität gesprochen wird. Der Spiegel hat das gemacht und den Hof von Dagmar und Andreas Klingelhöller in Niedersachsen besucht. 2008 erst hatten sie den Schweinestall nach damaligen Regeln umgebaut – doch dann kam die Tierwohlwelle.
Da würde die Familie gerne mitgehen und die neuen Tierwohlvorgaben umsetzen. Doch Andreas Klingelhöller hat alles durchgerechnet. „Finanziell nicht machbar“, sagt er dem Spiegel. Die Ferkelpreise seien schon in normalen Zeiten kaum auskömmlich. Und schon gar nicht in diesen.
Der Betrieb schreibe rund 15 € Verlust pro Ferkel. Die gestiegenen Ausgaben würden die Einnahmen wegfressen. Futter koste sie doppelt so viel wie vor 24 Monaten, Energie das Fünffache.
Das Magazin stellt denn auch fest, dass der Systemwechsel, weg vom immer mehr und immer billiger, hin zu einer tierfreundlicheren Landwirtschaft, von der Inflation in nur wenigen Monaten wieder zunichtegemach wurde. Nachhaltige Lebensmittel mag sich derzeit kaum mehr einer leisten, die Kunden greifen wieder häufiger zu Billigfleisch. Ein großer Biohändler spricht vom „schlimmsten Einbruch“ seit Jahren, heißt es.
Die Bauern steckten in einem kaum auflösbaren Dilemma, so das Fazit. Hier die explodierenden Preise für die staatlich verordnete, artgerechtere Zucht, dort die Handelskonzerne, die sich aufgrund der hohen Inflation nicht auch noch auf höhere Zuschläge für mehr Tierwohl einlassen wollen. Wann immer es um konkrete Summen gehe, flüchteten sich die Handelsketten in „wachsweiche Begriffe“, wie „angemessene Bezahlung“ oder „fairer Umgang“, klagt Klingelhöller.
Ihr schweben eher gemeinsame Produktionsfirmen vor, die dem Handel ein Teilrisiko aufbürden. Etliche ranghohe Handelsvertreter habe sie durch ihren Stall geführt, am Ende seien sie „ohne Ergebnis weggedüst“. Als Erfolg gilt schon ein geplantes Logo, das Fleisch aus Deutschland hervorhebt.
Torsten Staack von der ISN nehme wahr, dass selbst Pioniere aufgeben, die schon Außenställe haben. Sie würden zum Aussteigen gedrängt. Es fehle ein politischer Plan, die Tierhaltung geordnet umzubauen. Behörden stünden sich gegenseitig im Weg, weil sich Vorgaben widersprechen. So würden sie offene Ställe zumeist gar nicht genehmigen, aus Angst vor Ammoniakemissionen. Ein bürokratischer Albtraum.
Von 2025 an werden mehr als 1 Mrd. € pro Jahr allein für mehr Platz, frische Luft und Auslauf für Rinder, Schweine und Geflügel fällig. Mit steigenden Vorgaben klettern die Ausgaben sukzessive höher – ab 2040 auf 3,6 Mrd. € pro Jahr. Der Stallumbau macht dabei noch den geringsten Teil aus, 80 % der Kosten gehen für den laufenden Betrieb drauf, für mehr Betreuung, mehr Stroh, das Ausmisten, schreibt der Spiegel weiter.
Zur Finanzierung hatte die Borchert-Kommission einen höheren Mehrwertsteuersatz oder eine Abgabe von 40 Cent pro kg Fleisch vorgeschlagen. Für die Kunden seien das wöchentlich im Schnitt 70 Ct mehr. Am Ende, so seine Botschaft, werden die Verbraucher die Summe aufbringen müssen. Aber der Staat müsse in Vorleistung gehen.
Die Bauern fürchten indes, dass sie trotz der vielen schönen Werbeversprechungen des Handels auf den Kosten sitzen bleiben. Sobald die Kundschaft von hohen Preisen abgeschreckt werde, knickten die Händler ein. Im Handel brauche es „einen Paradigmenwechsel, der auch uns etwas kosten wird“, gesteht selbst ein Handelsmanager gegenüber dem Magazin ein.
Ohne eine massive Intervention des Staates werde das Versprechen vom Tierwohl kaum mehr bleiben als eine Phrase. Darüber könnten auch die wenigen positiven Beispiele, die es gibt, nicht hinwegtäuschen.