Die Branche schäumt über die Pläne des Bundeslandwirtschaftsministeriums zum Umbau der Tierhaltung. Minister Cem Özdemir wiegelt ab und spielt auf Zeit.
Die Worte waren bewusst scharf: Einen „Abbau statt Umbau“ der Tierhaltung werfen Verbände der Ampelregierung vor. Andere sprechen vom „Tierwohl-Killer“. Selbst die Borchert-Kommission, die aus Verärgerung eigentlich ruhen wollte, kritisiert das Tierhaltungskennzeichengesetz sowie das zugehörige Förderprogramm deutlich. Alles zur Grünen Woche.
Doch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) zeigt sich wenig beeindruckt. In der Manier eines Politprofis wiegelt er die Attacken ab. Er lasse nicht zu, dass einzelne Blockierer die „gewollte Transformation“ stoppen. Für konstruktive Hinweise sei er dankbar und suche das Gespräch.
Ohnehin sei jetzt der Bundestag gefordert, über seine Vorschläge zu beraten. Übersetzt heißt das: Die Richtung ändert sich nicht, es gibt höchstens noch kleinere Anpassungen. Es bleibt somit vermutlich dabei, dass der Umbauplan völlig unterfinanziert ist, ausländische Ware ohne Kennzeichnung ins Land kommt und viele Schweinehalter vom Förderprogramm ausgeschlossen sind.
Zugutehalten muss man Özdemir, dass er nicht allein verantwortlich ist. Zum einen hat er in der eigenen Partei Renate Künast im Nacken sitzen. Sie würde die Tierhaltung am liebsten mit noch strengerem Ordnungsrecht zurückfahren. Zum anderen will der Koalitionspartner FDP nicht mehr Geld locker machen.
Und: In der vergangenen Legislaturperiode haben CDU/CSU sowie SPD das günstige Zeitfenster für eine politisch motivierte Weiterentwicklung der Tierhaltung verstreichen lassen. Inzwischen sind Baukosten sowie Zinsen teurer und die Staatskasse leerer.
Hinzu kommt: Angesichts der hohen Inflation kaufen Verbraucher noch stärker nach dem Preis. Sie lassen schon etwas teurere Produkte mit mehr Tierwohl vielfach liegen. Deshalb zeichnet sich ab: Höhere Haltungsformen mit Außenklima kommen vorerst nicht in die Breite, sie bleiben eine Nische.
Insbesondere die am stärksten betroffenen Schweinehalter haben das längst erkannt. Grob kategorisiert gibt es drei Entwicklungen:
- Wer auf höhere Haltungsformen setzt, vermarktet oft direkt oder über Regionalprogramme, teilweise in Kooperation mit dem Handel
- Viele halten das Tierwohllevel, das sie erreicht haben. Investitionen in Ställe gibt es kaum. Nach und nach könnten diese Betriebe auslaufen.
- Andere steigen direkt aus der Schweineproduktion aus. Manche stellen den kompletten Betrieb ein, andere suchen alternative Einkommensmöglichkeiten. Seminare zu Umnutzungen von Schweineställen sind aktuell ein Renner.
Das Ergebnis: Weniger Schweine, aber mehr Schweine in höheren Haltungsformen. Genau das ist politisches Ziel. Und genau das erreicht die Politik möglicherweise, ohne etwas dafür zu tun – und ohne viel Steuergeld zu bezahlen.
Doch der wahre Preis dieses politischen Kalküls ist extrem hoch. Denn in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum brechen Strukturen weg – und regionale Kreisläufe, Wirtschaftskraft und Wohlstand gehen verloren. Ob das bedacht ist?
Ein Kommentar von Patrick Liste, Chefredakteur beim Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.