Die fehlende Planungssicherheit lässt die Ausstiegswelle bei den Schweinehaltern weiter rollen. Vion passt deshalb die Schlachthofstruktur den Veränderungen am Markt an.
Die Unsicherheit unter den Schweinehaltern ist groß. Mangels Planungssicherheit geben immer mehr Ferkelzüchter und Schweinemäster ihre Betriebe auf. Das hat eine aktuelle, bundesweite Umfrage der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands e.V. (ISN) ergeben. Knapp 500 Schweinehalter haben sich beteiligt, rund 16 % der Betriebe kamen aus Bayern. „Die kurzfristige wirtschaftliche Lage schaut bei Ferkelerzeugern und Schweinehaltern bei einem stabilen Preis um die 2 € und wieder etwas niedrigeren Futterkosten ganz gut aus. Allerdings sind die mittel- bis langfristigen Perspektiven eher weniger gut,“ so Jürgen Dierauff, ISN-Vorstand aus Franken. Er hat einen Betrieb mit über 2000 Mastschweinen und ist seit 2015 ISN-Vorstandsmitglied.
Bundesweit zeigt die Umfrage ein einheitliches Bild: Knapp ein Drittel der Sauenhalter wollen auch in 10 Jahren noch Tiere halten, ein Drittel ist unentschlossen, für die anderen zeichnet sich ab, dass sie aufhören werden. Einige der Befragten planen vorsichtig mit einem Teilbereich in einer höheren Haltungsform.
„Die Stimmung für die kommenden 10 oder 15 Jahre ist getrübt“, so Dierauff. Der Wechsel in eine höhere Haltungsformen biete zwar gewisse Perspektiven, aber mittel- bis langfristig fehle die Planungssicherheit. „Zudem hängt die Emmissionsreduzierung wie ein Damoklesschwert über den Schweinehaltern. Müssen Abluftfilter nachgerüstet werden, ist das mit großem Aufwand verbunden.“ Aber auch die Schlachthoflandschaft verändert sich und so unternimmt Vion seit Anfang 2023 einen Transformationsprozess, um die eigenen Schlachthofkapazitäten an die Marktentwicklungen auch in Deutschland anzupassen. „Die bereits unternommenen Veränderungen in Süddeutschland sind Teil dieses Prozesses“, äußert sich Thomas van Zütphen, Pressessprecher von Vion Beef. Allerdings äußerte sich Vion nicht zu der Auslastung der Schlachthöfe in Landshut und Vilshofen oder weitere, anstehende Veränderungen.
In 10 Jahren, so schätzt Dierauff, hören vermutlich 50 % der Betriebe auf. „Damit fällt zwar nicht die Hälfte, aber wahrscheinlich ein Viertel der Tiere weg.“ Dabei sei die Tendenz bei Mästern etwas besser als die bei Ferkelerzeugern. Fraglich ist, ob dann Ansätze wie 5xD oder 5xBY noch bedient werden können. „Die Gefahr ist, dass die Ferkel stärker als die Mast wegbrechen und die Ferkelherkunft nicht mehr gesichert ist.“
„Politik und Gesellschaft fordern mehr Tierwohl, doch der Bedarf an Tieren aus höheren Haltungsstufen muss immer vom Markt ausgehen“, sagt Thomas van Zütphen. „Erst wenn sich ein dezidiertes und heute nahezu immer regionales Fleischprogramm so entwickelt, dass es mittelfristig zum Beispiel 500 oder 1000 weiterer Schlachtschweine pro Woche bedarf, gehen wir auch in die dafür nötigen Gespräche mit den Landwirten. Im Sinne einer Balance und der Planungssicherheit sei es eine Herausforderung, jegliche Überproduktion aber auch Unterversorgung mit Tieren aus höheren Haltungsstufen zu vermeiden.“
Die derzeitige politisch und gesellschaftlich gewollte Transformation der Nutztierhaltung reduziert auch das verfügbare, heimische Schlachtviehaufkommen. Halten sich Angebot und Nachfrage nicht die Waage, dann werde zunehmend Fleisch- und Lebendvieh nach Deutschland importiert werden. „Dann aber bleibt zu beurteilen, inwieweit diese Entwicklung noch mit den Wünschen der gesamten Kette, von der Land- und Fleischwirtschaft über den LEH bis zu den Verbrauchern, nach mehr Tierwohl, kurzen Transportwegen und höheren Standards sowohl bei der Tierhaltung wie auch bei der Qualität der Produkte einhergeht,“ so van Zütphen.
Für Jürgen Dierauff sind höhere Haltungsformen ein Lichtblick. „Ich bin risikoaffin und möchte auch keinen 20-Jahres-Vertrag“, fügt er an. „Ein Stück weit bin ich auch Unternehmer und möchte die Freiheit haben, mich auch ein Stück weit nach rechts oder links bewegen zu können.“ von Annete Seidl