Tierhaltung: Forderung nach mehr Tierwohl und Herkunftskennzeichnung

Tierwohl ist ein Zukunftsthema für die Konsumenten und Landwirte. Die Landwirtschaftskammer fordert eine umfassende Herkunftskennzeichnung.

In Österreich gibt es noch rund 82.000 landwirtschaftliche Betriebe mit Tierhaltung. In Niederösterreich sind es ca. 16.000. Wie es um diese bestellt ist, skizzierte vor Kurzem Landwirtschaftskammer Präsident Johannes Schmuckenschlager, mit der AMA-Marketing-Geschäftsführerin Christina Mutenthaler-Sipek und LK-NÖ-Vizepräsidentin Andrea Wagner sowie LK-Direktor Franz Raab. Es gibt Entwicklungspotenziale und viele Landwirte wollen investieren.

Das Investitionsverhalten von Tierhaltungsbetrieben im Förderzeitraum 2014 bis 2022 zeigt deutlich, dass 87 % aller Tierhaltungsbetriebe freiwillig in Stallungen mit höheren Tierwohlstandards, als es das Gesetz vorschreibt, investieren. Je unklarer die Rahmenbedingungen und je härter die Marktsituation sind, desto niedriger ist die Investitionsbereitschaft.

So ist speziell die Schweinebranche sehr verhalten, was Neu- oder Umbauten betrifft. „Solange in Österreich Standards ständig hochgeschraubt werden und gleichzeitig Billigimporte von Lebensmitteln unklarer Herkunft zugelassen sind, gefährden wir die Zukunft der heimischen Tierhaltung“, sagt Schmuckenschlager.

Die verpflichtende Herkunftskennzeichnung in der Gemeinschaftsverpflegung sei ein wichtiger Schritt, bekräftigt Schmuckenschlager, sie müsse auch, wie im Regierungsprogramm vereinbart, endlich auf allen Vermarktungsstufen ordentlich umgesetzt und kontrolliert werden. „Gleichzeitig erwarte ich mir von Verarbeitern, Handel, Gastronomie sowie den Konsumentinnen und Konsumenten, dass sie kaufen, was sie fordern. Am Beispiel Pute sehen wir aktuell leider, dass Betriebe, die in EU-weit höchste Standards investiert haben, in Bedrängnis geraten, weil sie nicht den Absatz generieren können, der ihnen in Aussicht gestellt worden ist. Die Politik muss sich zu langfristigen Rahmenbedingungen und Rechtssicherheit unter Berücksichtigung der Marktsituation bekennen. Es kann nicht sein, dass ideologische Wünsche von einzelnen NGOs die Tierhaltung in Österreich verunmöglichen“, so Schmuckenschlager.

Während in der öffentlichen Debatte alle über noch mehr Tierwohl reden und fordern, werden z.B. bei Schweinefleisch, dem beliebtesten Fleisch der Österreicherinnen und Österreicher, im Lebensmitteleinzelhandel gerade einmal 5 % Tierwohlfleisch verkauft. „Daher brauchen wir als Bäuerinnen und Bauern den Schulterschluss mit allen Partnern in der Wertschöpfungskette, um den Anteil an Tierwohl-Produkten am Gesamtabsatz steigern zu können“, betont Wagner.

Dass Tierwohl ein wichtiges Zukunftsthema sowohl für Konsumentinnen und Konsumenten als auch für die Landwirtschaft ist, bestätigt Johannes Mayr, Geschäftsführer der KeyQUEST Marktforschung, der regelmäßig Umfragen zu diesem Thema bei Bäuerinnen und Bauern und der Gesellschaft durchführt. Allerdings fehle eine klare Definition von „Tierwohl“. Der emotional geprägte Begriff der Konsumentenschaft und die aus der täglichen Arbeit mit Tieren abgeleitete Definition der landwirtschaftlichen Praxis können sehr unterschiedlich ausfallen.

So gibt es bei den Konsumentinnen und Konsumenten eine starke Kluft zwischen Einstellung und Verhalten: Zwar wollen etwa bei Umfragen alle „mehr Tierwohl“, die entsprechende Zahlungsbereitschaft dafür sei aber noch stark ausbaufähig. Tierhaltungsbetriebe sehen Qualitäts- und Tierwohl-Programme sehr wohl als Chance zur Zukunftssicherung ihrer Betriebe. Voraussetzung dafür sei allerdings Planungssicherheit und die Abgeltung der Mehrkosten. „Tierwohl ist ein Produktversprechen, das für Konsumentinnen und Konsumenten nicht durch persönliche Erfahrung überprüfbar ist. Daher ist Vertrauen und Glaubwürdigkeit absolute Voraussetzung für das Funktionieren von Tierwohlprogrammen. Kontrollen sind Mittel zum Zweck, um zu verhindern, dass dieses Vertrauen beschädigt wird“, fasst Mayr die Ergebnisse seiner Forschungsarbeit zusammen. von Roland Pittner