Um Fünf vor Zwölf startete heute die Agrargemeinschaft Österreich eine Kundgebung vor dem Parlament in Wien. Die dazu eingeladenen Agrarsprecher blieben der Veranstaltung – bis auf einen – aber fern.
Passend zur momentanen Stimmung vieler Bauern präsentierte sich heute auch das Wetter regnerisch trüb in Wien. Dennoch ließen es sich wohl um die 800 Bäuerinnen und Bauern aus ganz Österreich nicht nehmen, ihren Unmut über die aktuelle Agrarpolitik zum Ausdruck zu bringen. Eingeladen zu der Kundgebung vor dem Parlament hatte die Agrargemeinschaft Österreich. Deren Sprecher Manfred Muhr sagte zu Beginn: Es geht darum, ein Zeichen zu setzen, ein Zeichen der Mobilisierungskraft der AGÖ. Und das ist heute eindrucksvoll bewiesen worden, dass die Bauern aus ganz Österreich den Weg auf sich genommen haben, hier die Stärke der AGÖ zu demonstrieren.
Geschäftsführer Johann Konrad erklärte in seinem Statement, dass es heute um die „Einkommen der Bauern gehe, um die Sicherheit auf den Höfen“. Darüber wollten die anwesenden Bauern auch nicht zuletzt die Agrarsprecher der Parteien informieren. Nur wohnte bis auf den Agrarsprecher der FPÖ Peter Schmiedlechner niemand der Veranstaltung bei. Konrad betonte: „Wir sind unpolitisch. Wir haben alle Agrarsprecher eingeladen. Wir freuen uns, dass Peter Schmiedlechner da ist. Alle anderen haben leider keine Zeit gehabt oder wollen nicht mit uns reden, wie auch immer.“ Konrads wichtigste Botschaft an diesem Tag lautete: „Wir brauchen ein Einkommen, dass wir in der Landwirtschaft wieder investieren können für die nächste Generation.“
Martina Mittermayr ging in ihrem Statement auf die junge Generation ein. „Wir ziehen eine junge Generation heran. Wir motivieren die jungen Leute. Wir zeigen ihnen, wie die Landwirtschaft geht.“ Doch aktuell habe man ein schlechtes Gewissen bei dem Gedanken, den Betrieb zu übergeben. „Denn man weiß, die werden ein ganzes Leben lang viel Arbeit haben für sehr wenig Lohn. Und das kann nicht die Zukunft sein“, so Mittermayr. „Die Zukunft kann auch nicht sein, dass wir Bauern hier eine Kundgebung machen, weil unsere Standesvertretung uns nicht hört, nicht abhebt, sich nicht mit den Bauern zusammensetzen will.“
Ein weiteres Thema, dass den Bauern unter den Nägeln brennt, ist die Herkunftskennzeichnung. Siegfried Salchenegger meinte: “ Ich möchte es nutzen, dass wir da heute in Wien sind. Hier hören wahrscheinlich nicht nur Bauern zu, sondern auch Konsumenten. Liebe Konsumenten, wir versuchen, die besten Lebensmittel, die beste Kulturlandschaft für euch zu produzieren.“ Aber es könne nicht sein, dass wir in Österreich höchste Standards haben, aber wenn die Lebensmittel durch die gesetzlichen die Grundlagen zu teuer werden, billig importiert werde. Das müsse aufhören. Salchenegger: „Deswegen brauchen wir ganz, ganz dringend eine allumfassende Herkunftskennzeichnung.“
Dem pflichtete Leo Steinbichler, der Initiator des kürzlich im Parlament behandelten Volksbegehrens zur Herkunftskennzeichnung, bei und fügte hinzu: „Es glauben wirklich nur die da im Hause drinnen, dass das Them Herkunftskennzeichnung beendet ist. Es sei sicher, dass diese umgesetzt werde und das möglichst rasch. Steinbichler: „Die umfassende Herkunftskennzeichnung ist die einzige Garantie für die Bauern, wo Österreich draufsteht, muss Österreich drin sein.“
Über die Probleme der Ackerbauern sprach Manfred Mechtler, der einen Ackerbaubetrieb in Mistelbach bewirtschaftet. Eines davon ist laut Mechtler, dass „die Ackerbauern bei uns im Wettbewerb mit der Ukraine, nicht einmal mit EU-Ländern, nicht zurande kommen. Die Wettbewerbsbedingungen sind einfach nicht gegeben. Ein Drittel der Ukraine hat amerikanische Investmentfirmen gehabt, Black Rock etc. Da steckt so viel Kapital drin, da kommen wir als Österreicher nicht mehr mit.“ Unsere Betriebe würden den Hektar nicht so günstig bewirtschaften können wie die. Zudem seien bei uns die Arbeitskräfte auch wesentlich teurer.
Ein weiterer Nachteil laut Mechtler: „Wir werden mit Kontrollen zu Tode reguliert. Im Osten gibt es dagegen fast keine Auflagen. Vielleicht am Papier, aber es wird nicht kontrolliert. Da gehört einfach einmal eine Gleichberechtigung her. Wir müssen die kontrollieren, die reinwollen und nicht die, die eh schon 100-mal kontrolliert werden.“
Der FPÖ-Agrarsprecher Peter Schmiedlechner meinte, „das größte Problem ist der Kaufkraftverlust auf den Bauernhöfen.“ Die Politik mache zwar nicht die Preise, aber die Rahmenbedingungen. Und es sei erschreckend, wenn „wir immer weniger verdienen und man die Auflagen und Richtlinien noch immer höherschraubt“. Während bei den Bauern die Preise sinken, würden die Konsumente immer noch hohe Preise im Handel zahlen. „Im Endeffekt ist der Handel der große Verdiener. Schmiedlechner: „Da müssen wir als Politik ansetzen. Da müssen wir schauen, dass wir die Rahmenbedingungen ändern.“
Zum Schluss erneuerte Martina Mittermayr anlässlich des morgigen Weltmilchtages nochmals die Forderung der AGÖ nach einer Milchpreiserhöhung um 5 Ct. „Der Druck von den Milchbauern wird immer mehr“, erklärte sie. „Und die Veranstaltung heute macht auf jeden Fall Sinn. Vielleicht nicht sofort, aber in Zukunft.“ von Torsten Altmann