Wie beurteilen Experten aus der Forschung, Vermarktung und des Ministeriums den Strukturwandel in der Schweinehaltung in Österreich? Wo entwickelt sich die Branche in den nächsten Jahren hin?
Wie ist der Strukturwandel in der Schweinehaltung zu beurteilen? Wie kann mehr Wertschätzung in der Bevölkerung erreicht werden. Dazu nehmen Konrad Blaas, Leiter Abteilung Tierhaltung im BML, Birgit Heidinger, Leiterin des Instituts Tier, Technik und Umwelt an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein und Hans Schlederer, Geschäftsführer der Schweinebörse, Stellung.
Schlederer: Der Strukturwandel in Österreich läuft seit EU-Beitritt in relativ hoher Geschwindigkeit (konkrete Zahlen siehe Einkommen Schweinehaltung). Die marktrelevanten Betriebe liegen heute bei circa 6.000 in Österreich. Wenn die Ertragslage in den nächsten zehn Jahren so gut wäre wie in den letzten beiden Jahren, wäre zu erwarten, dass wir relativ wenige Betriebe verlieren. Sollte sich der Markt verschlechtern, dann wird sich die Zahl der Betriebe halbieren.
Blaas: Hinzu kommt, dass im Vergleich zur Milchviehhaltung in der Schweinehaltung deutlich weniger investiert wurde. Es handelt sich dabei nicht nur um temporäre Verzögerungen, sondern wir schaffen es in Österreich seit Jahren nicht, die Gebäude und die Technik in der Schweinehaltung im notwendigen Umfang zu erneuern. Aus dieser Dramatik heraus wird es schwer, die Produktion in Österreich auf dem jetzigen Niveau zu halten; das gilt vor allem für die Ferkelproduktion.
Heidinger: Eine Chance für die österreichischen Schweinebetriebe besteht im internationalen Vergleich in den familiären Strukturen: Durch den Familienverband und den dadurch oft starken persönlichen Bezug zum Hof sind die Betriebe mitunter resilienter und ein „Denken in Generationen“ steht im Vordergrund. Die Resilienz begünstigen auch mehrere Betriebszweige, so gibt es in Krisenzeiten mehrere Standbeine.
Die Haltung der Schweine in einem Vollspaltensystem läuft aus, die Dauer der Übergangsfrist ist noch offen. Wie ist der derzeitige Stand und bis wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen?
Blaas: Der derzeitige Stand ist, dass wir bis Ende Mai 2025 ein Gesetz benötigen, denn sonst wäre die Haltung in Vollspaltensystemen ab 1. Juni 2025 obsolet. Die bisherige Regierung war in dieser Frage nicht untätig, aber uneins, daher gibt es bis dato noch keine Lösung. Sollte jedoch der Fall eintreten, dass bis Ende Mai 2025 keine gesetzliche Regelung vorliegt, ist mit Klagen aus der Branche beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu rechnen, weil auch der VfGH Übergangsfristen einräumt. Auch wenn diese Klagen gute Erfolgsaussichten hätten, bedeutet dieser Umstand große Rechtsunsicherheit für die Bauern und Bäuerinnen bei möglichen Kontrollen und Strafen.
Wie könnte ein gesetzlicher Mindeststandard in Österreich nach Auslaufen der Vollspaltensysteme aussehen?
Blaas: Das ist natürlich eine heikle Prognose, aber wir haben ja seit 2023 schon ein im Vergleich zum EU-Mindeststandard deutlich verbessertes System. Möglich wäre ein leicht angepasstes System mit etwas mehr Platz, ich denke da an 0,8 bis 0,9 m² pro Mastschwein, und einem größeren Buchtenteil, der als Liegefläche mit weniger Perforation vorgesehen ist. Als Mindeststandard sehe ich weiterhin ein stroharmes System, damit noch ein Flüssigmistsystem funktioniert. Beschäftigungsmaterial muss natürlich hinein, Kühlung haben wir jetzt schon vorgesehen. Damit hätten wir ein vergleichbares System wie in der Schweiz, wo auch 0,9 m² pro Schwein und Minimalstrohgaben vorgegeben sind. Darüber hinaus sollte ein künftiges System mit unkupierten Schweinen funktionieren, zumindest mit einer guten Erfolgswahrscheinlichkeit.
Was braucht es, damit die Schweinehaltung in Österreich auch in der Bevölkerung besser akzeptiert und wertgeschätzt wird?
Heidinger: Es braucht eine klare Herkunfts- und Haltungskennzeichnungen, die den Konsumentinnen und Konsumenten Transparenz bieten und ihre Wahlmöglichkeiten verdeutlichen. Jeder Griff ins Regal ist eine Wahl – für oder gegen etwas. Durch klare Kennzeichnung und gute Kommunikation in diesem Zusammenhang kann zur Bewusstseinsbildung wesentlich beigetragen werden.
Gute Einkommen und große Rechtsunsicherheiten führen zu einer zwiespältigen Stimmung unter den Schweinehaltern.
Die Übergangsfristen zur Vollspaltenhaltung werden noch verhandelt, es könnte sein, dass ab 1. Juni noch keine Regelung existiert.
Die Haltungssysteme werden zukünftig vielfältiger, ein einheitliches System wie die Vollspaltenhaltung wird auslaufen. von Roland Pittner