Dr. Robert Elmerhaus leitet den Schweineeinkauf bei Tönnies. Auf dem Fleischmarkt setzt er EU-weit nach wie vor auf China. In Deutschland will er die Marktkrise durch mehr Tierwohl lösen.
Herr Elmerhaus, trotz deutlich sinkender Schweinebestände in Deutschland, sind die Preise im Keller. Warum?
Dr. Robert Elmerhaus: Wenn man sich die Entwicklung der EU-Schweinebestände anschaut, dann haben andere EU-Länder die rückläufigen Schweinebestände in Deutschland kompensiert und zuletzt mehr Schweine produziert. Das größere Problem ist aber der „Fleischstau“. Das Angebot ist im Vergleich zur Nachfrage europaweit viel zu hoch, die Gefrierbestände haben einen historischen Höchststand erreicht. Die desaströse Lage ist das Ergebnis einer langfristigen Abwärtsspirale: Corona hat den Absatz von Schweinefleisch drastisch gesenkt. Wir erleben bis heute immer wieder Beeinträchtigungen durch Lockdowns in wichtigen Exportmärkten wie aktuell in Australien. Weltweit waren und sind viele Häfen durch Corona gesperrt.
Der deutsche Export ist durch den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest zusätzlich belastet. China als wichtigster Exportmarkt fehlt, um Artikel wie Schwänzchen oder Schnauzen vermarkten zu können, für die es hier keinen Absatz gibt. Momentan verschärft sich die Situation noch durch Sperrungen einzelner Schlachtbetriebe innerhalb der EU für den Export nach China. Diese drängen mit ihrem Fleisch auf den ohnehin schon überfüllten europäischen Fleischmarkt. Zudem fiel das Grillwetter dieses Jahr bislang sehr durchwachsen aus.
Wir brauchen Angebots-Aktionen für deutsches Schweinefleisch im Handel, um den Markt kurzfristig zu entlasten
Wann wird es endlich wieder besser?
Elmerhaus: Lebendangebot und Fleischnachfrage müssen europaweit erst wieder ins Gleichgewicht finden. Wir sehen eine Verbesserung der Marktlage, wenn der chinesische Markt wieder anspringt und wir nennenswerte Mengen aus Europa exportieren können. Hier ist jetzt vor allem die Politik gefragt, mit China ein Regionalisierungsabkommen für die nicht von ASP betroffenen Regionen zu schließen. Um kurzfristig den Markt zu entlasten und den Absatz zu erhöhen, muss es Angebots-Aktionen für deutsches Schweinefleisch im Handel geben. Dadurch wird das Schweinefleisch beim Verbraucher wieder sichtbar und der Absatz steigt.
Die Transformation ein in höhere Tierwohlstufen verringert den Schweinebestand automatisch
Der Markt käme wohl schneller ins Gleichgewicht, wenn man mit Ausstiegsprogrammen oder niedrigeren Schlachtgewichten aktiv eingreift. Was halten Sie davon?
Elmerhaus: Nichts! Wir haben einen starken Binnenmarkt, welchen wir weiterhin mit unseren hiesigen Erzeugern beliefern werden. Erste Lebensmitteleinzelhändler bekennen sich zu Fleisch aus deutscher Herkunft. Dies ist ein wichtiges Signal an die Landwirte, aber vor allem auch an die Verbraucher: Tierhaltung und Fleischproduktion in Deutschland haben weltweit den höchsten Standard. Es geht darum, die Akzeptanz von deutschem Schweinefleisch beim Verbraucher zurückzugewinnen – unter anderem mit der Transformation zu höheren Haltungsformen, die längst im Gange ist. Dadurch wird sich auch der Schweinebestand automatisch verringern. Wenn wir das zusammen gut umsetzen, dann verhindern wir zum einen die weitere Verringerung des Schweinefleischverzehrs und halten zum anderen die Erzeugung in Deutschland.
Das garantiert ja noch keine auskömmliche Preise. Wie wollen Sie erreichen, dass in der Wertschöpfungskette Schwein endlich auf allen Stufen Geld verdient wird?
Elmerhaus: Wir sehen eine Chance in den Forderungen unserer Abnehmer in Richtung mehr Tierwohl. Die Mehrkosten, welche dadurch entstehen, müssen honoriert und den Landwirten vergütet werden. Zusammen mit Politik und Handel sind wir nun gefordert, den landwirtschaftlichen Tierhaltern planbare Absatzkonzepte anzubieten. Diese Konzepte müssen sich auf die deutsche Mastschweineproduktion fokussieren und sich von Fleischimporten abgrenzen.