Agrarorganisationen und Industrie sehen Versorgungssicherheit stark gefährdet. ÖVP warnt davor, Bauern zu schikanieren. Dagegen wehren sich die Grünen.
Die Entscheidung des Umweltausschusses des europäischen Parlaments zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (SUR), stößt bei österreichischen Agrarorganisationen, Industrieverbänden sowie ÖVP-Politikern auf heftige Kritik. Mit einer knappen Mehrheit von 47 zu 37 Stimmen hatten die EU-Umweltpolitiker am Dienstag (24.10.) für einige schärfer Regeln als im Kommissionsentwurf gestimmt.
Der ÖVP-Europaabgeordnete Alexander Bernhuber beklagt, ein breiter Kompromiss scheiterte leider an teilweise praxisfremden Vorstellungen der grünen Chefverhandlerin Sarah Wiener. Ein noch ambitionierteres Reduktionsziel von 65 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel bis 2030, ohne ausreichende Flexibilität und Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausgangspunkte der Mitgliedstaaten, sowie überbordende Dokumentationspflichten und Auflagen für Landwirte seien so nicht tragbar.
Neben strengen Regeln für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die ohnehin bereits zum Beispiel in Städten, neben Schulen und Kindergärten gelten, sieht der Vorschlag laut Bernhuber nun auch ein Beinahe-Verbot von Pflanzenschutzmitteln in sensiblen Gebieten wie den sogenannten Natura2000-Regionen vor.
„In der Praxis bedeutet das, dass unseren Bäuerinnen und Bauern jede Flexibilität genommen wird. Langwierige Notfallzulassungsverfahren, das Anbringen von Hinweisschildern an Feldern und die Veröffentlichung umfangreicher Informationen beim Anwenden von Pflanzenschutzmitteln auf einer Homepage sind eine reine Schikane für unsere Bäuerinnen und Bauern“, wettert der ÖVP-Politiker. Vorgaben wie diese würden nach Einschätzung Bernhubers Gebiete wie die Obst- und Weinbauregion Wachau oder ein Fünftel der Agrarfläche des Burgenlandes massiv treffen, und noch mehr landwirtschaftliche Betriebe ins Aus treiben.
Welche Folgen es haben kann, wenn keine ausreichenden Pflanzenschutzmitteln verfügbar sind, verdeutlicht Lorenz Mayr, Vizepräsident der LK Niederösterreich. So habe in den vergangenen Jahren der Schaddruck durch den Drahtwurm auf Österreichs Äckern massiv zugenommen. Die Folgen zeigen sich laut LK mittlerweile auch in den Anbauflächen von Erdäpfeln: 2023 wurden im Vergleich zum Jahr 2020 rund 4.000 ha weniger Erdäpfel angebaut. Für Mayr ist daher klar: „Die Abstimmung geht an der Wirklichkeit vorbei, so wird sich die Situation noch mehr zuspitzen.“
Aus seiner Sicht sind Notfallzulassungen von Pflanzenschutzmitteln wichtig, um Zulassungslücken zu schließen oder anderweitige nicht behandelbare Schaderreger zu regulieren
Für Christian Stockmar, Obmann der IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP) zeigt der im EU-Umweltausschuss beschlossene SUR-Vorschlag zeigt, dass viele leider die eigene Ideologie über die globale Verantwortung stellen. So hätten seriöse Folgenabschätzungen haben die negativen Folgen des Vorschlags offengelegt, wie sinkende Erträge, erhöhte Importabhängigkeit sowie CO2-Verlagerung in Drittländer. „Es ist wirklich höchst an der Zeit, dass wieder fakten- und wissenschaftsbasiert Entscheidungen getroffen werden, um weiteren Schaden vom Agrarstandort Europa abzuwenden“, fordert Stockmar.