Rückläufige Tierbestände, steigende Kosten und planlose Politik: Die deutsche Fleischindustrie steht unter Druck. Auf dem Fleischkongress 2023 diskutierte die Branche, wie sie die Zukunft meistern will.
Bei der Podiumsdiskussion „Quo Vadis, Fleischindustrie? Was sind jetzt die richtigen Strategien?“ auf dem Fleischkongress in Mainz Ende November diskutierten führende Köpfe der Branche, wie sie aus der Krise kommen wollen.
Gesa Langenberg, eine Pionierin in der Schweinehaltung, die bereits in Haltungsform 4 mästet, betonte die Bedeutung einer verpflichtenden Haltungskennzeichnung angesichts der ohnehin hohen Kosten. Sie kritisierte, dass der Großhandel und die Gastronomie sich zu wenig mit diesen Themen auseinandersetzen, und forderte eine schnelle Umsetzung der Kennzeichnungspflicht auch in diesen Bereichen.
Philippe Thomas, COO Retail bei Vion, sprach sich für eine stärkere Kundenbindung aus, um den Fokus weg vom Preisdruck zu lenken. Er betonte die Notwendigkeit, zwischen idealen Fleischqualitätsstandards und realistischen Preisstrategien zu balancieren, und hob hervor, dass besonders agile Unternehmen, die sich schnell auf neue Anforderungen einstellen können, erfolgreich sein werden.
Michael Schulze Kalthoff, Vorstand von Westfleisch, äußerte sich kritisch zur Politik und deren langjährigen falschen Versprechungen. Er betonte, dass mehr Tierwohl vor allem vom Markt getragen werden müsse und forderte mehr Planungssicherheit, insbesondere bei höheren Haltungsformstufen. „Das geht nicht in 3-Monats-Kontrakten“, stellte er klar.
Clemens Tönnies, Gesellschafter der Tönnies Holding, wies auf den deutlichen Rückgang der Schweinezahlen hin, sah jedoch bei 750.000 Schlachtungen einen Wendepunkt erreicht. Er dankte dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) für dessen Bekenntnis zu „5 x D“, was der deutschen Landwirtschaft Rückenwind verleihe, und sah im Export, auch nach China, wieder mehr Chancen.
Dr. Dirk Köckler, Vorstandsvorsitzender von Agravis, unterstrich die Bedeutung der Tierhaltung für die Verwertung von Nebenprodukten der Lebensmittelproduktion und kritisierte die Politik für kontraproduktive Maßnahmen, wie das Beispiel Bruderhahn zeige: „Es ist die misslungene Zwischenstation auf dem Weg zur Geschlechtserkennung im Ei.“
Die Diskussion verdeutlichte, dass die Fleischindustrie in Deutschland an einem kritischen Punkt steht. Die Experten waren sich aber einig, dass die Branche eine Zukunft hat, wenn sie einen stabilen politischen Rahmen mit marktgetriebenen Lösungen und einem stärkeren Fokus auf Qualität und Nachhaltigkeit kombiniert. von Andreas Beckhove